29.12.
+
Linke Szene
Autonome stellen „Polizeibericht 2010“ ins Internet
In ihrem „Polizeibericht 2010“ verraten linke Aktivisten Polizei-Kennzeichen und zeigen Fotos. Das Polizeipräsidium reagiert gelassen auf die Veröffentlichung im Internet.
Auf den ersten Blick sieht es aus wie die Berliner Variante von Wikileaks – doch das, was die linksautonome Szene als „Polizeibericht 2010″ zusammengetragen hat auf 108 Seiten, lässt die Betroffenen im Präsidium kalt. Man werde nicht juristisch gegen die Autoren vorgehen – was ohnehin schwer sein dürfte. Denn als Verantwortlicher im Impressum wird ein „Extrem Mist“ in der Archivstraße 12 genannt. Hier beweisen die Linksautonomen Humor, hinter der Anschrift verbirgt sich das Geheime Staatsarchiv in Dahlem.
Allerdings stehen in dem Heft, das auch im Internet abrufbar ist, kaum Geheimnisse; die meisten Informationen seien frei verfügbar, hieß es bei der Polizei.
Das Heft trägt den Titel „Ausrüstung, Strukturen, Einsatztaktik“. Die darin abgedruckten Fotos sind überwiegend von Internetseiten der Polizei oder privaten Seiten wie „polizautos.de“ kopiert. Andere wurden von Aktivisten bei Demonstrationen selbst aufgenommen. Auf den ersten Anschein wirkt das Heft fast offiziell – mal abgesehen von den Fotos abgebrannter Autos und der Tatsache, dass Polizisten als „Bullen“ oder „Pigs“ (Schweine) bezeichnet werden.
Ferner findet sich in dem Heft eine Liste mit etwa 130 Kennzeichen von Zivilstreifen. Eine Fleißarbeit, heißt es bei der Polizei gelangweilt, zusammengetragen bei diversen Demonstrationen. Nutzen dürfte die Liste den Autonomen nicht: Denn wie die Autoren selbst vermerken, benutzt die Polizei bei ihren Fahrzeugen sogenannte Wechselkennzeichen.
Ärgerlicher für Polizeipräsident Dieter Glietsch ist der weiter laufende Geheimnisverrat aus den eigenen Reihen: Auf der Internetseite „blitzberlin.de“ werden weiterhin alle zu Tempokontrollen eingesetzten Zivilfahrzeuge, die beliebtesten Blitzstandorte und technische Interna verraten. Teilweise sind die Fotos auf der Internetseite erkennbar aus Streifenwagen geschossen worden. Wie berichtet, hatte Glietsch Disziplinarverfahren gegen drei Beamte der Direktionen 3 und 2 angestrengt und angekündigt, dass die Zivilstreifen neue Kennzeichen bekommen. Die Verfahren endeten im Sande, die neuen Kennzeichen wurden sofort auf der Seite veröffentlicht.
Insiderwissen dürfte in den Bericht der Autonomen hingegen nicht eingeflossen sein, sagen Experten. Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte: So ist zwar der Chef der 1. Bereitschaftspolizeiabteilung bei einer Demonstration fotografiert worden, aber nur von hinten. Auch der Name des Beamten wird nicht genannt. Auch sonst verzichten die Linksaktivisten weitgehend darauf, Namen von Zivilpolizisten zu nennen oder identifizierbare Fotos zu veröffentlichen. Dabei kursierte bis vor wenigen Monaten im Internet eine Liste mit Einzelfotos vor allem von Beamten des Staatsschutzes und Spezialeinheiten. Da auf dieser Seite auch Namen und Dienstrang genannt waren, hatten die Berliner Behörden die Löschung der Seite im Internet durchsetzen können.
Das Heft ist seit Mitte Dezember im Internet zu finden, zum Beispiel bei „indymedia“, dem elektronischen Zentralorgan der Linksextremisten. Neu ist, dass die jüngste Ausgabe der Untergrundzeitung „Interim“ nun ebenfalls im Netz zu finden ist. Wie berichtet, hatte einige Autonome darin einen Aufruf zur Gewalt gegen Berlin-Touristen veröffentlicht. Nach einem Artikel im Tagesspiegel hatten Polizei und Justiz kurz vor Weihnachten vier linke Buchläden durchsucht.
27.12.2010 von Jörn Hasselmann
+
Atommüll bleibt länger
Verlängert: Das Zwischenlager bleibt vermutlich bis 2080 in Betrieb. dpa
LUBMIN – Angesichts der ungeklärten Atommüll-Endlagerung stellt der Bund offenbar die Weichen für eine deutlich längere Nutzung des Zwischenlagers Nord bei Lubmin. Der Haushaltsausschuss des Bundestags habe eine bis 2080 reichende Finanzplanung bestätigt, sagte der scheidende Chef der bundeseigenen Betreibergesellschaft Energiewerke Nord (EWN), Dieter Rittscher. Danach sei von 2013 bis 2080 für den Betrieb des Zwischenlagers eine weitere Milliarde Euro nötig. Die Lagerung von Atommüll in dem Zwischenlager in Vorpommern, in dem derzeit 69 Castorbehälter stehen, ist bis 2039 befristet.
Der EWN-Manager begründete die langfristigen Finanzplanungen mit der ungelösten Endlagerfrage. Deutschland habe sich des Problems sehr spät angenommen. „Alle Zwischenlager in Deutschland müssen verlängert werden“, zeigte sich Rittscher überzeugt. Selbst wenn ein Endlager 2040 in Betrieb gehe, müssten je nach Dauer der Laufzeitverlängerung deutschlandweit 15 000 bis 20 000 Tonnen Brennelemente eingelagert werden. Dies werde einen Zeitraum von 40 bis 50 Jahren beanspruchen, prognostizierte Rittscher. „Jetzt glauben wir doch nicht, dass mit dem Start eines Endlagers die EWN einfach schnipp machen können und sofort ihren Abfall los sind.“ Eine Genehmigung zum längeren Betrieb des Zwischenlagers sei noch nicht beantragt. Zunächst müssten Kriterien und Anforderungen festgelegt werden, unter denen Zwischenlager länger und sicher betrieben werden könnten.
Rittscher kritisierte die deutsche Atompolitik: „Wenn Anlagen sicher sind, gibt es keinen Grund sie abzuschalten. Wenn sie nicht sicher wären, hätte man sie sofort abschalten müssen.“ Der Bundestag hatte Ende Oktober mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition längere Laufzeiten von durchschnittlich 12 Jahren für die 17 deutschen Atomkraftwerke beschlossen. Das Gesetz tritt zum 1. Januar in Kraft, nachdem Bundespräsident Christian Wulff es Anfang Dezember unterzeichnet hatte. Damit könnte es in Deutschland noch bis 2035 Strom aus Atomkraft geben.
26. 12. von Martina Rathke, dpa
+
Wer ist Dieter Rittscher?
Geboren: 2. Juli 1945 in Groß Niendorf
Familienstand: verheiratet, 2 Töchter
Erlernter Beruf: Elektriker
Studium: Physikalisch-Technische Lehranstalt Wedel/Holstein, Ingenieurschule für Kerntechnik Kiel
Tätigkeiten:
1969 – 1971 Forschungs- und Entwicklungsabteilung der VDO-Luftfahrt, Frankfurt
1971 – 1974 Transnuklear (NUKEM) Hanau
1975 – 1977 Steag AG, Essen
Arbeitsgebiete:
Abfallentsorgung, Behälterentwicklung (CASTOR), Transportwesen
1978 – 1994 Übergang in die von der Steag gegründeten GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH Essen
Als Prokurist maßgeblich am Aufbau der GNS beteiligt.
Zuständig für Genehmigungen, Abfallbehandlung,Behälterentwicklung
1994 Bestellung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Energiewerke Nord GmbH (EWN) Rubenow.
Zuständig für Stilllegung und Abbau der Kernkraftwerke Greifswald und Rheinsberg sowie Standortentwicklung
2002 Bestellung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der AVR GmbH
2005 Bestellung zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der WAK GmbH
+
Andenken an…
Georg Hoprich. Er würde heute 72 Jahre alt werden. Er hat sich mit 30 Jahren in Siebenbürgen erhängt.
In den Tod getrieben.
Entlassen aus langem Gefängnisaufenthalt.
Verraten vom Informant „Otto Stein“, das ist Oskar Pastior.
Grund der Inhaftierung war ein Gedicht:
„Wir sind ein bleiches Volk.“
Dort kommen die Zeilen vor
„Der Nächste schleppt sich wie gebrochen“, „Wir haben immer leis’ gesprochen“
und „Wir ernten die Tränen auf dem Bitterfeld“.
Später schrieb er „Auf einen Grabstein einzumeißeln: Aus Stillsein ging die Flamme auf / Die Wirrnis wurde Lebenslauf, / Der Irrtum leitete das Spiel, / Der Tod war das geschmückte Ziel.“
+
Letztes Wort
+
„Yes, on the ground.“ („Ja, auf den Boden.“) [zu seiner Schwägerin Frau Hogarth, die ihn drängte sich hinzulegen]
Charles Dickens, englischer Schriftsteller, 1870