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Berliner Abendblätter 2.00

berliner abendblätter 2.00 am 22.11.

22.11.
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Gestern Ewigkeitssonntag
Eine Heerschau auf dem Dorotheenstädtischen Kirchhof
Der letzte Sonntag vor der Adventszeit erfreut mit trocken-frischer Luft und Sonnenstrahlen. Nachmittags tummeln sich eine Menge Flanierer zwischen den Reihen und Wiesenstellen. Der Oberbürgermeister von Stuttgart hat einen Kranz auf Hegels Grab gelegt, wohl zum 179. Todestag des preußischen Staatsphilosophen aus Schwabenland. Die Fotografin Sibylle Bergemann hat ihre Urne in der Reihe hinter Marcuse und Tabori platziert bekommen. Die Gebinde und Kränze für Bärbel Bohley sind verwelkt. Renate Bronnens Schriftzug prangt so alterslos wie der ihres Mannes Arnolt auf dem Findling, obwohl die Witwe ein halbes Jahrhundert nach dem zeitweiligen Nazi und Brecht-Duz-Freund diesen Sommer in das Grab gebettet worden ist. Raus Grab ist leicht zu finden: er liegt vis a vis vom Konditormeister Eugen Mlaschny an der dem Eingang gegenüberliegenden Mauer. Rechts neben Thomas Brasch hat sich der Komponist Friedrich Goldmann hingelegt. Auf dem benachbarten Französischen Friedhof reckt sich über Erich Böhmes Hügel eine Stele auf, am Samstag ist er ein Jahr tot. Nur Fritz Teufels Grab ist mir nicht ins Auge gesprungen. Er neckt indem er sich entzieht, der Kobold.
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Prof. Peter Grottian wegen Aufruf zu Bankbesetzung verurteilt
Politik, Top-Story Sonntag, 21. November 2010, 11:41
Bankster straflos – gegen Bankenkritiker augenmaßlos? Peter Grottian wegen öffentlicher Aufforderung zur Bankbesetzung zu 3900 Euro Geldstrafe verurteilt. Bundesweit erste Verurteilung zum Thema „Bankbesetzung“
Lindau – Nachdem im Zuge des Bildungsstreiks (18. 6. 2009) elf Bankbesetzungen und während des attac Bankenaktionstages (29. 9. 2010) neun Bankbesetzungen stattfanden, sah sich nun erstmals ein Gericht – das Amtsgericht Lindau – berufen, ein Urteil zu fällen. Es verurteilte der Berliner Politikwissenschaftler Peter Grottian wegen einer Aufforderung zum Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe in Höhe von 3900 Euro.
Grundlage des Strafbefehls war ein öffentlicher Vortrag von Grottian in Lindau, bei dem dieser zu einer öffentlichen, gewaltlosen, gewissensbestimmten und gesetzeswidrigen Bankbesetzung aufgerufen hatte. Die Verursacher der Finanzmarktkrise sollten zahlen und nicht diejenigen, die jetzt in Sparprogrammen als sozial Schwache bestraft werden, argumentierte Grottian in seinem Vortrag. Deshalb seien ganz unterschiedliche Formen von Aktionen – von der Bankbesetzung bis zur fürsorglichen Belagerung – legitim und angemessen und müssten in ihrer Eingriffstiefe vor Ort von den jeweiligen Aktionsgruppen entschieden werden.
Eine Journalistin hatte die Polizei und die Deutsche Bank über den Vortrag informiert und so die Staatsanwaltschaft Kempten zum Eingreifen veranlasst. Das Urteil des Amtsgerichts Lindau basiert auf einem Zeitungsartikel der „Lindauer Zeitung“.
Das Urteil ist in mehrfacher Hinsicht augenmaßlos.
Erstens: Die besuchten Banken stellten auf Grund der Gewaltlosigkeit und Kommunikationsfähigkeit der Aktionen keine Strafanzeigen, während das Gericht sich schon vorab zum Schutzherrn der Banken macht. Der Hausfriedensbruch beginnt erst dann, wenn der Filialleiter einer Bank die politische Meinungsäußerung nicht duldet und von seinem Hausrecht Gebrauch macht.
Zweitens: Die nur auf einen Zeitungsartikel gestützte Beschuldigung trifft nur insofern zu, als Grottian zwar zur Bankbesetzung aufgerufen, aber unterschiedliche Varianten von Radikalitäten zur Diskussion gestellt hatte. Das Bild des anstiftend-verführenden Radikal-Professors unterschätzt die eigene Urteilsfähigkeit mündiger Bürger und gehört in die Mottenkiste der Rechtsprechung.
Drittens: Wenn eine Gesellschaft 500 Milliarden Euro als Rettungsschirm für die Verursacher der Finanzkrise bereitstellt und bisher keine ernsthaften Versuche unternimmt, die „Bankräuber“ anzuklagen, dann sollten Aufrufe zu Bankbesetzungen eher respektvoll betrachtet werden, als sie in einer Höhe abzustrafen, die den Pauschalen von Kriminellen entsprechen.
Grottian hat deswegen gegen die Geldstrafe Einspruch eingelegt.
PR-sozial
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Verwirrung um Kondome im Vorfeld der Buchveröffentlichung
Erst am Mittwoch erscheint das Interviewbuch „Licht der Welt“ des Papstes mit Peter Seewald. Ein Kernsatz des Heiligen Vaters zur Lümmeltüte lautet in einer Übersetzung folgendermaßen:
„Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann, ein erstes Stück Verantwortung, um wieder ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass nicht alles gestattet ist und man nicht alles tun kann, was man will.“
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Auflösung des Rätsels vom 20.11.: die Genannten waren alle Ministranten und Ministrantin.
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Berliner Polizeibericht
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Demonstration weitestgehend störungsfrei
Friedrichshain-Kreuzberg, 21.11.
Zum Gedenken an den 1992 auf dem U-Bahnhof Samariterstraße getöteten Silvio Meier nahmen gestern nach Veranstalterangaben bis zu dreitausend Personen aus diversen linken Gruppierrungen teil. Von 16 bis 17 Uhr 50 führte ein Aufzug unter dem Motto „Silvio-Meier-Demo – Gemeinsam für eine Gesellschaft ohne Rassismus und Unterdrückung“ vom U-Bahnhof Samariterstraße durch Friedrichshain und zurück zum U-Bahnhof Samariterstraße an der Frankfurter Allee. Während des Aufzuges kam es vereinzelt zum Abbrennen von Pyrotechnik sowie zu einzelnen Sachbeschädigungen an geparkten Fahrzeugen. Nach Beendigung der Demonstration durch den Veranstalter bildeten sich kleine Gruppierungen, aus denen heraus es in der Rigaer Straße zu vereinzelten Stein- und Flaschenwürfen auf Polizeibeamte kam. Die Polizei nahm insgesamt 17 Personen vorläufig fest und leitete Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, versuchter Gefangenenbefreiung, Sachbeschädigung, Körperverletzung, Widerstandes und Landfriedensbruchs ein. Sieben Einsatzkräfte wurden leicht verletzt, alle verblieben im Dienst.
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Raubserie aufgeklärt – Tatverdächtiger festgenommen
Lichtenberg, 20.11.
Intensive Ermittlungen des Raubkommissariates der Direktion 1 zu einer Serie von Geschäftsüberfällen führten gestern Abend in Lichtenberg zur Festnahme eines 28-jährigen Tatverdächtigen. Dem Mann wird vorgeworfen, seit Anfang Oktober diesen Jahres in 14 Fällen Zeitungsläden, Spätkauf- und Schmuckgeschäfte in Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Treptow sowie Charlottenburg überfallen zu haben. Als Beamte der Direktion 1 den mutmaßlichen Räuber gestern mit Unterstützung eines Spezialeinsatzkommandos in einer Wohnung in der Robert-Uhrig-Straße festnehmen wollten, sprang dieser vom Balkon der in der ersten Etage gelegenen Wohnung. Er zog sich dabei mehrere Brüche an Armen und Beinen zu und wurde zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus gebracht. Der 28-Jährige soll heute einem Richter zur Entscheidung über den Erlass eines Haftbefehls vorgeführt werden.
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Betrunkene 12-Jährige
Reinickendorf, 20.11.
Passanten in Tegel alarmierten gestern Abend Feuerwehr und Polizei, nachdem sie dort gegen 21 Uhr 50 ein betrunkenes Kind bemerkt hatten. Die 12-Jährige, die gestützt werden musste, gab gegenüber den Rettungskräften mit lallender Stimme an, Wodka getrunken zu haben. Eine Atemalkoholmessung ergab einen Wert von 1,5 Promille. Die Beamten übergaben die Kleine an ihre Mutter.
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Feuer an Moschee – Zeugen gesucht
Neukölln, 19.11.
Unbekannte legten heute Morgen an einer Moschee in Neukölln Feuer. Ein Mitarbeiter des Gotteshauses am Columbiadamm hatte gegen 6 Uhr 15 Flammen an der Rückwand des Gebäudes festgestellt und das Feuer selbständig gelöscht. Durch den Brand wurden die Fassade des Gebäudes sowie ein Fenster beschädigt, verletzt wurde niemand. Die vorgefundenen Spuren am Brandort lassen auf eine vorsätzliche Brandlegung schließen. Die Ermittler gehen davon aus, dass eine am Brandort festgestellte Propangasflasche ursprünglich in einem schwarzen, rucksackähnlichen Behältnis mittels einer Sackkarre vom Columbiabad zum Tatort transportiert wurde. Die Gasflasche hatte jedoch keine Auswirkungen auf die Brandentwicklung. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen wegen des Verdachts der Brandstiftung übernommen.
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Trost aus der Religion
Die Menschen sind nur da, weil Gott sich gelangweilt hat.
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Letztes Wort
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„Take away those pillows – I shall need them no more.“ („Nehmen Sie diese Kissen weg – ich brauche sie nicht mehr.“) [zu seiner Krankenschwester]
Lewis Carroll, britischer Schriftsteller und Mathematiker, 1898
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Extrablatt
Nachdenken über Kirsten Heisig
Oberverwaltungsgericht bejaht Anspruch der Presse auf Auskunft über die Begleitumstände des Todes der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig – 28/10
Pressemitteilung
Berlin, den 15.11.2010
Der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass die Presse einen Anspruch auf Auskunft über die objektiven Begleitumstände des Todes der Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat. Er hat den Generalstaatsanwalt in Berlin im Wege einer Eilentscheidung verpflichtet, einem Journalisten Auskunft zu erteilen über die Todesursache und den Todeszeitpunkt von Frau Heisig, den Fundort und die Auffindesituation der Leiche, darüber, welche Fakten eine Fremdverursachung des Todes ausschließen und welche objektiven Anhaltspunkte für ein planvolles Vorgehen von Frau Heisig in Bezug auf ihren eigenen Tod sprechen. Nicht erfasst sind dagegen etwaige Erkenntnisse über Hintergründe und Motive einer Selbsttötung.
Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, Frau Heisig sei aufgrund ihres beruflichen, rechtspolitischen und publizistischen Engagements bundesweit bekannt gewesen. Es bestehe ein legitimes öffentliches Interesse an Informationen über ihren – jedenfalls für die Öffentlichkeit unerwarteten – Tod, zumal die Frage eines Zusammenhangs zwischen ihrem Tod und ihrer Tätigkeit im Raum stehe. Die erbetenen Auskünfte könnten nicht mit dem Hinweis auf schutzwürdige Interessen der Verstorbenen oder ihrer Hinterbliebenen verweigert werden. Zwar wirke der Schutz der Persönlichkeit auch über den Tod hinaus und verbiete insbesondere eine unwahre oder herabsetzende Berichterstattung, wobei im Falle einer Selbsttötung eine besondere Zurückhaltung der Presse erforderlich sei. Vorliegend gehe es dem Antragsteller jedoch nicht darum, die näheren Umstände und Hintergründe eines Selbstmordes darzustellen, sondern um Auskünfte über die objektiven Umstände des Todes, um die Bewertung als Selbsttötung überhaupt nachvollziehen zu können. Auch das Recht der Hinterbliebenen, in ihrer Trauer um die Verstorbene respektiert zu werden, stehe einer Berichterstattung über die objektiven Todesumstände nicht entgegen, solange das Andenken an die Verstorbene nicht belastet und die familiären Umstände nicht thematisiert würden.
Beschluss vom 11. November 2010 – OVG 10 S 32.10 –
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Justiz veröffentlicht geheime Akten zum Fall Heisig
Es gab Gerüchte, Jugendrichterin Kirsten Heisig sei ermordet worden. Doch laut Staatsanwaltschaft hatte sie ihren Selbstmord vorbereitet.
Die prominente Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig hat sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft erhängt. In ihrem Körper wurde eine Überdosis Anti-Depressiva gefunden. Weder bei der Entdeckung der Leiche noch später habe es Hinweise auf ein Fremdverschulden gegeben, teilte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage mit.
Laut der Behörde sprachen auch einige Anhaltspunkte dafür, dass Heisig ihren Tod plante. Am 28. Juni, als sie das letzte Mal lebend gesehen wurde, habe Heisig bei einer Rechtsanwältin aufnehmen lassen, wo sie begraben werden möchte. Das Rezept für das Medikament habe sie ebenfalls an dem Tag eingelöst.
Ein Münchener Journalist hatte per Gerichtsbeschluss die Herausgabe von Details zu den Todesumständen der Juristin erzwungen. Heisig hatte sich im Kampf gegen Jugendkriminalität bundesweit einen Namen gemacht. Nach ihrem Tod waren Zweifel an einer Selbsttötung aufgekommen. Es gab auch Gerüchte, dass Heisig Opfer eines Gewaltverbrechens geworden sein könnte. Es habe bei Heisig weder Fesselungs- noch Abwehrspuren oder andere Verletzungen gegeben, hieß es nun.
Die Leiche der 48-Jährigen hing an einem weißen Kunststoffseil an einem Baum im Tegeler Forst am nördlichen Berliner Stadtrand, als sie am 3. Juli nach tagelanger Suche gefunden wurde, teilte Staatsanwaltschafts-Sprecher Martin Steltner am Freitag mit. Im Sommer war offiziell nur mitgeteilt worden, dass sich Heisig das Leben genommen hatte.
In Justizkreisen hieß es schon damals, Heisig habe persönliche Probleme gehabt. Kurz nach dem Tod der couragierten Frau kam Ende Juli ihr viel diskutiertes Buch „Das Ende der Geduld“ heraus. Es ist ein harter Alltagsbericht über kriminelle Kinder und Jugendliche in der Hauptstadt und die Schwierigkeiten der Justiz mit solchen Tätern. Es steht noch immer auf der Bestsellerliste des „Spiegels“.
Heisig hatte als Richterin am Amtsgericht Tiergarten das Neuköllner Modell initiiert, nach dem kriminelle Jugendliche bei kleineren Delikten schnell bestraft werden und nicht erst Monate später. Sie war für den Problembezirk Neukölln zuständig, der als sozialer Brennpunkt gilt.
Der genaue Todeszeitpunkt sei nicht auf wenige Stunden einzugrenzen, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Die Leiche wurde an dem Baum auf dem Plateau einer Anhöhe 500 Meter entfernt vom abgestellten und verschlossenen Auto der Richterin gefunden.
Auch an dem Fahrzeug sei keine Manipulation Fremder festgestellt worden, so die Staatsanwaltschaft. Im Inneren des Wagens lagen laut Staatsanwaltschaft ordentlich nebeneinandergelegt ihre Brieftasche, ein Schlüsselband mit Anhänger, eine Geldbörse, der Terminplaner von Heisig und obenauf ihr Dienstausweis der Berliner Justiz. Auch in der Wohnung der Richterin, die zwei Töchter hinterließ, wurden keine verdächtigen Spuren gefunden.
Nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg müssen die Hintergründe und Motive der Selbsttötung nicht veröffentlicht werden.
dpa/oc
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Protokoll ihres Selbstmordes: So starb Richterin Heisig
Staatsanwaltschaft gab jetzt die grausamen Details des Selbstmordes preis
Berlin – Ein Besuch bei ihrer Rechtsanwältin, noch ein „Log-in“ auf dem Handy. Die Staatsanwaltschaft schildert die letzten Stunden im Leben der bekannten Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig („Neuköllner Modell“). Ein trauriges Protokoll des Selbstmordes einer verzweifelten Frau.
Der 28. Juni 2010 war ein heißer Sommer-Montag. Für diesen Tag hatte Richterin Kirsten Heisig ihren Freitod geplant. Wenige Stunden zuvor erschien sie bei ihrer Rechtsanwältin – um im Falle ihres Todes festzulegen, wo sie begraben werden wollte. An dem Tag löste sie auch ihr Rezept für die Antidepressiva ein, die später überdosiert im Leichnam festgestellt wurden.
Gegen 21.30 Uhr wurde Kirsten Heisig das letzte Mal gesehen. Der letzte „Log-in“ auf ihrem Handy erfolgte 21 Minuten danach. Fünf Tage später, am 3. Juli um 13.30 Uhr, entdeckte eine Polizistin die Leiche der Richterin am Elchdamm (Heiligensee), einem Teil des Tegeler Forstes. „Der Auffindeort liegt circa 500 Meter von dem Punkt entfernt, an dem am 30. Juni ihr Auto gefunden wurde. Um dorthin zu gelangen, muss man sich teilweise durch die Büsche schlagen“, sagt Oberstaatsanwalt Martin Steltner.
Kirsten Heisig hing an einem weißen Kunststoffseil von 1,2 Zentimetern Dicke. Ihr Gesicht war dem Stamm zugewandt. Sie trug ein graues Träger-Shirt, hellgraue Jeans und weiße Schuhe (ohne Socken). Die Knie befanden sich direkt über dem Boden, die Unterschenkel waren leicht nach hinten gestellt. Kirsten Heisig hatte sich nach vorne, in die um ihren Hals liegende Schlinge fallen lassen. Der Ast war ursprünglich 2,30 Meter hoch. Sie hatte ihn heruntergebogen. In der Nähe fanden die Ermittler eine Plastikflasche „Lipton-Icetea“ mit einer gelblichen Flüssigkeit, unter ihr eine leere Flasche „Active-02″. Ihre persönlichen Dinge hatte sie im Auto hinterlassen – obenauf lag ihr Justiz-Ausweis.
Kirsten Heisig hat sich erhängt. Bei der Obduktion ihrer Leiche wurden keine Zeichen von Gewalteinwirkung gefunden. Es gab weder Fesselungs- noch Abwehrspuren. Zum Zeitpunkt des Erhängens hat Kirsten Heisig noch gelebt.
Die Richterin soll seit einiger Zeit unter Depressionen gelitten haben, war deshalb bereits in einer Klinik. Es gab sogar schon einen Selbstmord-Versuch. Beziehungs-Probleme, Stress im Beruf (neues Buch, ein Interview jagte das andere, Fernseh-Termine) sollen einige ihrer Gründe gewesen sein.
C. Keikus
Berliner Kurier, 19.11.2010
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Aus „strukturellen Gründen“ wird es im Jahr 2011 keinen Nachfolger bzw. keine Nachfolgerin für die verstorbene Jugendrichterin Kirsten Heisig geben. Die Kriminalitätsrate unter Jugendlichen in Berlin sinkt kontinuierlich. Im Jahr 2009 beispielsweise gab es 17.400 Anklagen während im Jahr 2010 die Jugendrichter nur noch mit 14.200 Straftaten befasst waren. In Berlin sollen alles in allem 38 Richterstellen eingespart werden, darunter auch die Stelle in Neukölln. short news
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