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Berliner Abendblätter 2.00

berliner abendblätter 2.00 am 16.10.

16.10.
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Jena, 14. Juli 2010

Lieber M.,
das diesjährige Geburtstagsgeschenk von Dir war ja ein Volltreffer! Ich habe mich regelrecht darauf gestürzt und leider schon 80% des Inhalts in mich eingesogen! Ich finde es außerordentlich interessant, wie sich Christa Wolf mit Ihrem persönlichen Befinden in dieser turbulenten Zeit auseinander setzt. Natürlich muss ich immer wieder an den November 1989 denken und die skeptischen Blicke einiger Kollegen, als sie an der offenen Wandzeitung in der Firma sahen, dass ich den von Christa Wolf mit initiierten Aufruf für eine demokratische DDR mit unterzeichnet habe. Ich habe wohl ähnliche Illusionen über ein mehrheitlich links orientiertes Volk in der DDR gehabt und bin vergleichbar emotional gewesen, dass nun die Linksintellektuellen wie sie 1968 den Prager Frühling oder dann in den 70er Jahren unter Allende einen demokratischen Staat aufbauen könnten, der einen „dritten Weg“ möglich macht. „Keine neuen Experimente“ wollten allerdings da schon mehrheitlich meine Kollegen und haben auf den erfolgreichen Weg der Bundesrepublik verwiesen.
Heute sage ich, sie hatten recht. Sie waren pragmatisch, auch wenn das heißt, einen Guido Westerwelle und seine platten Weisheiten ertragen zu müssen. Es wäre ein kläglicher Versuch geworden, den etablierten westlichen Gesellschaften eine Alternative entgegen zu setzen, die auch nur annähernd das Konsumbedürfnis befriedigen könnte. Wir, R. und ich, sind zuerst in die Buchhandlungen gestürmt und haben wohl Stunden dort verbracht. Mehr als 90% haben sich in Super- und Baumärkte begeben. Ein Bekannter aus Kirchhain bekannte uns, daraufhin habe er eine Woche keinen richtigen Schlaf mehr gefunden. Mein damaliger Chef, erzogen in einer sozialistischen Eliteschule, kam in mein Zimmer im Betrieb und sagte leicht atemlos „Das war es!“ Auf meine Frage, was er meint, antwortete er, er habe einen Supermarkt aufgesucht. Was er dort gesehen habe, bedeute das Ende der DDR. Die Leute würden nun keine Ruhe mehr geben, bis sie nicht auch die gleichen Verhältnisse bekämen.
Es waren ähnliche Muster der Weltfremdheit,wie sie Christa Wolf auch schildert.
Christa Wolf berichtet über den Schock, den Fremdenhass in Rostock zu sehen. Sie dachte, darüber wären wir in der DDR doch schon lange weg. Das gäbe es doch wenigstens bei uns nicht mehr. Natürlich hätte es uns nachdenklich machen müssen, wenn unsere braven Mitbürger sich über die „Fidschis“ erregten, die für die von ihnen verdienten Mark der Deutschen Notenbank unter unseren Augen unsere raren Veritas-Nähmaschinen und die Mifa- oder Diamant-Fahrräder kauften, um diese Gegenstände dann nach Vietnam zu schleppen!
Auch ich habe lange gebraucht um zur Erkenntnis zu kommen, dass Antifaschist sein, nicht gleichbedeutend mit humanistischem Menschen ist. Dabei hatte ich vermutlich Christa Wolf voraus, dass im Physikstudium gelehrt wurde, dass es sowohl notwendige als auch hinreichende Kriterien gebe, die erfüllt sein müssen, damit bestimmte Ereignisse eintreten. Antifaschist zu sein, war zwar ein notwendiges Merkmal, jedoch nicht hinreichend, um auch demokratisch zu sein. Auch wir hatten unsere political correctness und es gehörte schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein und vielleicht auch die Erfahrung dazu, Antifaschisten in die Kategorie der Unkorrekten zu stecken. Herbert Wehner hat das wohl sein Lebtag lang mit sich herumtragen müssen.
Es ist so leicht, anzunehmen, dass jeweils die Antithese den richtigen Weg darstellt, wenn erkannt ist, dass die These der falsche Weg ist.
Die Reflexionen über ihren Wahlkampfeinsatz für die SEW, ihre radikalisierte Ansicht, nur sie stehe auf der richtigen Seite, als ein Westberliner Polizist ihr von den Straflagern Stalins berichtete, zeigt, wie leicht es ist, junge Menschen für den Menschheitsfortschritt zu verführen. Der Kompromiss gilt immer noch als verachtenswert, wo er doch eigentlich das Mittel der Wahl sein muss, wenn sich nicht eine Seite mit Gewalt durchsetzen will. Wolf sagt heute „Was muss ich für eine dumme Kuh gewesen sein!“
Christa Wolf sieht sich als eine vom Verstand gesteuerte Person und liegt mit dieser Einschätzung in ihrem Kreis von Künstlern sicher nicht falsch. Aber sie hat eben auch nur einen Teil der Dinge bewusst erlebt. Ihre Erfahrungen sind die einer Gruppe sympathischer Intellektueller. Diese Erfahrungen können nur einen Teil der Welt erklären. Es geht ihr um die Wahrheit. Aber die Wahrheit jenseits der Fakten wird trügerisch, da die Deutung der Fakten meist emotional gesteuert ist. Wahrheit im Emotionalen ist aber subjektiv und lässt sich nur schwer über das Empfinden von Gruppen objektivieren. Das wiederum ist aber das was den Menschen zum Individuum macht und damit zum Risikofaktor staatlicher Macht.
Die Summe der gespeicherten subjektiv wichtigen Erfahrungen macht das Gedächtnis aus und ist die Entscheidungsbasis für die Handlungen. Das solche eigentlich gravierenden Entscheidungen, sich mit MfS-Mitarbeitern auszutauschen, um sich dann doch für einen ehrlicheren Weg zu entscheiden und diese Erfahrung in die tiefsten Schichten der gespeicherten Erlebnisse zu verbannen, sie aus dem Bewusstsein zu verbannen, das kann sicher zu einer starken Verunsicherung führen. Christa Wolf ist damit glaubwürdiger für mich umgegangen als Günter Grass. Vielleicht ist Günter Grass auch nur trainierter im Umgang mit der gnadenlosen Öffentlichkeit, mit den so selbstgerechten Wächtern der öffentlichen Moral und der political correctness,mit den Leuten, die so gut in das unter- gegangene politische System gepasst hätten.
…damit sei Dir recht herzlich gedankt und recht herzlich gegrüßt von
R.!

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Russland will in den kommenden Jahren zum weltweit führenden Anbieter von Atomanlagen aufsteigen.
Moskau/New York (pte) –
Zu diesem Zweck soll der staatseigene Nukleargigant Rosatom http://rosatom.ru auch künftig global Geschäfte anbahnen. Der Anfang der Offensive ist gemacht. Weltweit bestreitet der Konzern derzeit 15 Atom-Projekte. Das ist mehr als jeder andere internationale Rivale gegenwärtig aufweisen kann. Fünf der Anlagen werden außerhalb Europas errichtet.
“Länder, die Russland mit dem Bau von Meilern beauftragen, sollten sich darüber im Klaren sein, dass die Bauzeiten sehr lang sind und dahinter ein schwerfälliger Apparat steht”, so der Atomexperte Stefan Füglister von der Kampagnenforum GmbH http://kampagnenforum.ch gegenüber pressetext. “Die Russen importieren neben den Anlagen dann oft auch eine sehr laxe Gesetzgebung in Bezug auf die Sicherheitsanforderungen der Anlagen”, kritisiert Füglister.
Die Chancen im Atom-Business stehen gut. Anfang der Woche gab Rosatom bekannt, zwei Atomreaktoren als Folgeaufträge nach China zu liefern. Die boomende Volksrepublik hatte bereits in der Vergangenheit zwei Nuklearanlagen von den Russen aufbauen lassen. “China hat gegenwärtig keine Priorität Nummer eins. Wir haben größere Partnerschaften in Indien, der Türkei und bald auch in Vietnam”, zitiert Bloomberg Rosatom-CEO Sergei Kiriyenko.
Die Nachfrage nach Energie ist vor allem in den aufstrebenden Schwellenländern sehr groß. Ein weiterer Vorteil gegenüber der internationalen Konkurrenz: Rosatom kann vor allem bei der günstigen Preisgestaltung punkten. Der OECD nach kostet der Bau einer 1.000 Megawatt leistenden Anlage bei den Russen im Schnitt rund 2,9 Mrd. Dollar. Im Vergleich zu globalen Rivalen fallen die Preise für die Anlagen damit zwischen 20 und 50 Prozent niedriger aus.
Die Technologien Rosatoms stehen denen westlicher Anbieter in nichts mehr nach. Denn seit dem Super-Gau in Tschernobyl im April 1986 wurde das Entwicklungsdesign internationalen Sicherheitsstandards angepasst. Kiriyenko, der ehemaliger Chef des russischen Atomenergie-Ministeriums war, treibt den Expansionskurs von Rosatom bereits seit 2005 aggressiv voran. Seine Vision: Den Jahresumsatz von derzeit 17 Mrd. bis 2030 auf 50 Mrd. Dollar zu erhöhen.
Rosatom profitiert stark von der politischen Schützenhilfe aus dem Kreml. Premier Vladimir Putin vermittelte dem Konzern in Indien 2009 zwei Aufträge für Atomreaktoren. Die Inder beauftragten die russische Rüstungsindustrie zudem mit dem Bau von 29 MiG-Kampfjets und anderer Waffen. Um die Nachfrage nach Atomanlagen zu stärken, hat sich Kiriyenko mit Rosatom im Juni 2010 für rund 610 Mio. Dollar bei einer kanadischen Uran-Mine eingekauft. (Ende)
Aussender: pressetext.schweiz
Redakteur: Florian Fügemann
email: fuegemann@pressetext.com

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Letztes Wort
„Am I dying or is this my birthday?“ („Sterbe ich oder ist heute mein Geburtstag?“) [zu ihrer Familie, die versammelt an ihrem Sterbebett stand]
Lady Nancy Astor, britische Politikerin, 1964 (es war der 2.5.1964, ihr 85. Geburtstag wäre am 19.5. gewesen)